Viele von uns kennen René Graetz. Manche seit vielen
Jahren. Für die einen ist er ein Besserwisser, für die anderen
ein unverbesserlicher Querulant. Es gibt solche, die meinen, er sei ein
halber oder sogar ein ganzer Epigone - und andere wieder, die sagen, er
sei sogar ein Formalist. Es gibt Leute, die René Graetz' Naivität
als raffiniert getarnten Intellektualismus bezeichnen, und es gibt wieder
andere Leute, die seine Begeisterungsfähigkeit als verantwortungslose
Schwärmerei gegenüber dem "Ernst der Stunde" ansehen.
Es gibt manche Künstler, die Graetz im Geheimen seine starke künstlerische
Phantasie zuerkennen, gleichzeitig aber nicht mehr fähig zu sein
scheinen, den kleinen Blickwinkel ihrer eigenen Entwicklungssituation
erweitern zu wollen.
Alle diese angeführten widersinnigen Oberflächlichkeiten, die
ich seitenlang erweitern könnte, haben René Graetz in eine
äußerliche Isolierung gebracht. Nicht aber in eine innerliche.
Graetz hat nie die gesellschaftliche Funktion der Kunst geleugnet. Daß
sein Beitrag hierzu äußerlich anders aussieht, als es manche
gewichtigen Theoretiker bei uns sich vorstellen, beweist nur, daß
künstlerisches Schöpfertum die Theorien erzeugt und nicht umgekehrt.
Fangen wir endlich an, in Zeichnungen, Bildern und Plastiken nicht zum
Überdruß bekannte Gemeinplätze sogenannter wissenschaftlicher
Erkenntnistheorien zu suchen, sondern lassen wir die Sprache der Kunst
selbst sprechen und auf uns einwirken. Schließlich beweist auch
unsere schnellebige Zeit, daß die Kunst selbst zäher ist als
die jeweilige Tagesforderung. Hören wir endlich auf, unsere eigenen
Reihen zu schwächen, dadurch, daß wir nach Buchstaben, I -
Pünktchen, Maßstäbe suchen, wonach wir hochpolitische
Prinzipien gefördert oder nicht gefördert sehen. Fangen wir
endlich an, beim einzelnen Künstler zu prüfen, wes Geistes Kind
er wirklich ist.
Die
Arbeiten René Graetz', die Sie hier sehen, haben als Grundthema
Krieg und Frieden. Und was gibt es denn wohl Größeres, Wichtigeres
in unserer Zeit, als dieses Thema. ... Die Schönheit der künstlerischen
Sprachform ist alles andere als kleinbürgerlich-süß, sondern
stark und kräftig, wie sie dem Lebensgefühl einer neuen, zur
endgültigen Befreiung schreitenden Menschheit entspricht. Die Arbeiten
von René Graetz' beweisen, daß die Erscheinungen und künstlerischen
Formen überlebter Ideologien und Zeitläufe uns zu dienen vermögen.
Sie deuten an, daß sie, mit fortschrittlichen neuen Geist erfüllt,
die Qualität alter Formen an sich verwandelt. Sie sind weiter ein
Beispiel dafür, daß sogenannte spätbürgerliche Formsprache
geistig real angewendet, im Sinne fortschrittlichen Gedankenguts, zwar
nicht die einzige, aber eine der neuen Qualitäten darstellt, die
uns hilft, die Welt und die Menschen zu verändern. Sie sind ein Beweis
für die Vielfalt dessen, was wir sozialistische Kunst nennen, für
die Einheit dieses Geistes und die Verschiedenheit der Formen hierfür.
Es ist für mich durch nichts, aber auch durch gar nichts erwiesen,
daß sogenannte wirklichkeitsnähere Kunst eher tisch
oder sozialistisch ist, als eine Kunst, die sich allgemein bekannter Symbole
und Zeichen bedient.
Aber es ist ebenso natürlich, daß
jede weitere Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit der
Künstler selbst übernimmt. ... Aber er hat ein Recht darauf,
ganz und eindeutig als René Graetz, der ein Sozialist, ein Kommunist
ist, sehr ernst genommen zu werden. Die Prüfungen, denen er in den
letzten 14 Jahren, seit ich ihn kenne, unterlag, waren hart genug und
beweisen, daß er sie bestanden hat. Phantasie, künstlerische
Poesie und Kühnheit sind echte Forderungen und Wünsche an uns
sozialistische Künstler. René Graetz hat sie.
Fritz Cremer
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