Eröffnungsrede bei der Antifa- Treptow 5.1.2001

Manfred Bofinger (Kinderbuchautor und Illustrator)

Meine Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst
von Elizabeth Shaw!

Gleich zu Beginn meiner Rede möchte ich Ihnen sagen, dass ich mit großer Freude diese kleine Ausstellung eröffne, auch wenn die Freude noch viel größer wäre, könnte Elizabeth Shaw heute dabei sein. Es traf mich damals vor nunmehr fast 9 Jahren sehr, daß diese freundliche großartige Kollegin mit ihrem einmaligen irischen Charme nicht mehr am Leben sein sollte. Ihre Kunst hat mich ein Leben lang begleitet und sehr geprägt. Ihre zauberhaften poetischen Reportagen mit Berta Waterstradt im "Magazin", ihre umwerfenden und geistreichen, so einfach formulierten Künstler-Porträts, die lyrischen Landschaftsskizzen und vor allem natürlich die unverwechselbaren Kinderbücher, welche zum Glück wieder auf dem Markt sind, dank der unermüdlichen Unternehmungen ihres Sohnes Patrick. Auch "das dicke Elizabeth-Shaw-Buch" bei Eulenspiegel und ihr autobiografisches Buch im Aufbau-Verlag sind zu haben. Um auf die Bilderbücher zurückzukommen: Meine älteste Tochter Bettina, die übrigens niemals bummelte, liebte das Buch "Bettina bummelt" über alles, sie fühlte sich mit ihren sieben Jahren damals direkt angesprochen. So muss es vielen Kindern gegangen sein, denn die einfachen Bilder und Geschichten aus Elizabeth Shaws Feder wurden regelrecht verschlungen, wenn man an die vielen Auflagen denkt. Es gibt berührende Filmdokumente über Elizabeth Shaws Arbeit für Kinder und heute noch liebevolle Kita-Ausstattungen nach Bildern von ihr. Lothar Lang hat in dem gerade erschienenen Buch über die Buchkunst der DDR "Von Hegenbarth bis Altenbourg" von der erzählerischen Kraft der Linie geschwärmt und räumt Elizabeth Shaw einen hohen Platz in der Geschichte deutscher Buchillustration ein. Ich selbst übrigens liebe neben den Bilderbüchern, die ich natürlich alle besitze, ganz besonders den Band "Bertolt Brecht - Ein Kinderbuch". Ich kenne niemanden von den zeichnenden Kollegen und keinen Kunsttheoretiker, der nicht zu einem Shaw-Fan avancierte, spätestens dann, wenn man diese beeindruckende stille Frau näher kennenlernte. Mit wenigen Worten in ihrem einmaligen irisch gefärbten Deutsch sagte sie oft viel treffender das, wofür manch anderer viele Sätze gebraucht hatte.

Ich war deshalb in den Siebziger Jahren stolz wie ein Spanier, als sie meine ersten Bilderbücher lobte. Dieses Lob war mir immer Verpflichtung, und da meine Art zu illustrieren eben auch durch die Linie bestimmt war und ist, gab es immer eine besondere Affinität zueinander. In diesem Zusammenhang möchte ich aus einem Brief zitieren, der mich voriges Jahr aus Schleswig-Holstein erreichte: Lieber Herr Bofinger! Eine Freundin hat mich auf die Idee gebracht, mich an Sie zu wenden, und ich tue es, obwohl mein Anliegen sicher etwas ungewöhnlich ist. Ich habe ein Kinderbuch geschrieben und habe ihr davon erzählt, auch davon, wie schwierig es ist, einen Verlag zu finden, wenn man keinen "Namen" hat. Sie fragte mich, ob ich schon an Illustrationen gedacht hatte, und ich erzählte ihr, dass ich am liebsten Elizabeth Shaw gefragt hatte, die ,ja leider nicht mehr lebt. Ihre Zeichnungen haben mich sehr berührt, und das Darstellen ganz typischer Merkmale mit wenigen Strichen gefällt mir besonders bei ihr.

Elizabeth Shaw wurde 1920 in Belfast geboren. Sie war Kunststudentin in London und wurde 1940-44 zum Kriegsdienst einberufen. In dieser Zeit entstanden erste Publikationen. 1944 heiratet sie den deutschen Bildhauer und Maler René Graetz, der als Antifaschist im Londoner Exil lebt und mit dem sie 1941 nach Ost-Berlin übersiedelt. Sie arbeitet dort für Herbert Sandbergs "ULENSPIEGEL", den "Frischen Wind", den "Vorwärts", das "Neue Deutschland" und "Das Magazin". 1962 erscheint ihr erstes Kinderbuch "Der kleine Angsthase". Elizabeth Shaw erhielt neben vielen Buchauszeichnungen den Kunstpreis der DDR, den Hans-Baltzer-, den Käthe-Kollwitz- und den Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig. 1992 starb Elizabeth Shaw in Berlin. Sie wurde in der Irischen See beigesetzt. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin erinnert eine Gedenktafel an die großartige Künstlerin Elizabeth Shaw. Ich wünsche der kleinen Ausstellung ihrer Bilder eine große Resonanz.

Manfred Bofinger 10.1.2001